Visualisierungen Andreas Müller Architekten AG

 

Studienauftrag Urbanes Wohnen, Zürich Kreis 4, 2017

Situation

Die vorherrschende gründerzeitliche Blockrandbebauung des Werdquartiers ist in der Bevölkerung nach wie vor sehr beliebt, da sie dem Idealbild einer lebenswerten Stadt entspricht: Wohnen mit Arbeiten, Dichte mit Ordnung, pulsierendes Stadtleben im Strassenraum mit Ruhe und Natur im Innenhof.

Projekt

Das Bauvolumen des geplanten Projektes ist durch die Parzellengrösse mit ihren baurechtlichen Bestimmungen sowie die Wirtschaftlichkeit durch maximierte Ausnützung weitgehend bestimmt.

Die limitierte Anzahl der Vollgeschosse und die vorgegebenen Gebäudehöhen der Zonenordnung ergeben überdurchschnittlich hohe Geschosse mit lichten Raumhöhen von 2.80 m, im Erdgeschoss sogar solche mit 3.80 m. Um das besonders hohe Erdgeschoss noch effizienter nutzen zu können, wird hofseitig teilweise eine Raumschicht auf die erlaubten 1 m angehoben und das Terrain leicht abgesenkt, sodass im Innenhof im Hochparterre privatere Räume und im anrechenbaren Untergeschoss gut belichtete Ateliers entstehen.

Die Erschliessung der Tiefgarage erfolgt über die Weberstrasse, weil das Hofgebäude dadurch an diejenige Stelle gebaut werden kann, wo der Innenhof die grösste Ausdehnung hat und am besten belichtet ist. Die Fahrrampe dient im ersten Viertel auch für die kaum merkliche Höhendifferenz zum abgegrabenen Innenhof, so dass die Abgrabung als solche kaum wahrgenommen wird.

Das Hofhaus ist ein selbständiges Atelierhaus mit eigener Adresse, erreichbar durch die zwei Durchgänge, die durch Dienstbarkeiten gesichert sind und durch den neugeschaffenen Durchgang zur Schöntalstrasse im vorderen Drittel des Randgebäudes. Es prägt als Kleinod auch mit der fünften Fassade den Innenhof.

Konstruktion

Ausgehend von der Konstruktionsweise der bewährten Gründerzeitbauten mit ihren massiven Wänden und den Holzbalkendecken schlagen wir einen Hybridbau aus massiven Wänden und Brettstapel-Betonverbunddecken vor. Jedes Material wird dort eingesetzt, wo es seine Qualitäten am besten ausspielen kann: Die Treppenhäuser werden vor Ort aus Stahlbeton gefertigt, um das Gebäude auszusteifen. Die tragenden Wände werden aus Backstein gemauert und sorgen dank ihrer Diffusionsoffenheit für ein angenehmes Innenraumklima. Die Decken bestehen aus vorfabrizierten Brettstapelelementen mit Verbund-Überbeton. Dadurch wird der Stahlbedarf drastisch reduziert und aufwändige Schalungen vor Ort entfallen. 

Die Auflager der Brettstapeldecken bestehen aus vorfabrizierten Betonelementen, welche die Lasten gleichmässig auf die Wände verteilen. Die darauf gelagerten Brettstapeldecken werden unmittelbar nach dem Versetzen mit einem Überbeton übergossen und bilden so eine massive Decke, auf welche das nächste Stockwerk aufgesetzt werden kann.

Diese Konstruktionsweise bringt neben ihren offensichtlichen Vorteilen in Sachen Nachhaltigkeit, dem hohen Grad an Präfabrikation und dem damit beschleunigten Bauablauf auch einige Herausforderungen: Durch die limitierten Spannweiten der Brettstapeldecken ist, ähnlich wie bei den Gründerzeitbauten, ein durchgehendes Konstruktionsraster erforderlich, da tragende Wände nicht beliebig platziert werden können. 

Innerhalb des gewählten Achsmasses von 3.80m x 11.30m gibt es 3 Grundelemente, die sich wiederholen und verschieden kombinieren lassen: Das Grundversorgungselement beinhaltet die Grundausstattung, die es für alle Wohnungsgrössen braucht: Küche, Dusche/WC, Wohnzimmer, Esszimmer.  Das Erschliessungselement beinhaltet den Lift, das Treppenhaus, zwei Steigzonen und ein Zimmer. Das Zimmerelement beinhaltet 2 Zimmer mit Bad und Ankleide.

Nutzung

Im Rahmen dieser von Keller bis Dach durchgehenden Baustruktur lassen sich die verschiedensten Wohnungen und flexiblen, preisgünstigen und kurzfristig verfügbaren Kleinflächen kombinieren. Die Ladenflächen und Wohn-Ateliers im Erdgeschoss, im anrechenbaren Untergeschoss und im Hofgebäude sind ideal für Start-Ups, Kunsthandwerker, Künstler, Hobbykünstler, Kleingewerbe, Einzelbüros, Werkstätten und kleine Gastbetriebe. Diese Kleinbetriebe werden voneinander profitieren und können auch den Mietern der Wohnungen Dienstleistungen bieten. Sie beleben den Strassenraum und den Innenhof.

Die Wohnungen sind in der Mehrzahl 2.5- und 3.5-Zimmer-Wohnungen und weisen keine Verkehrsfläche auf. Der Bewohner betritt die Wohnung im multifunktionalen Zentralraum, von dem alle anderen Räume erschlossen sind: die Garderobe und Dusche/WC, die Küche mit eingebauter Kombiwaschmaschine, das Wohnzimmer, das sich als Gästezimmer abtrennen lässt und das Schlafzimmer. Die grösseren Wohnungen verfügen über Zimmer, die direkt über das Wohnzimmer oder als zweite Möglichkeit über den Ankleideraum erschlossen werden können. Fast jede Wohnung besitzt zwei Balkone, einen zur Strassenseite, den anderen zur Innenhofseite. 

Atmosphäre

Durch die Materialechtheit der Holzdecken entsteht eine behagliche und gesunde Atmosphäre, die durch den Steinholz-Bodenbelag mit seiner warmen Ausstrahlung unterstützt wird. Die vorfabrizierten Betonträger sind eine konstruktive Neuinterpretation alter Stuckdecken und rahmen die einzelnen Räume. Die meisten Wohnungen basieren auf einer „Enfilade“ der Wohnräume von Balkon zu Balkon. Diese Räume sind durch grosse Glastüren voneinander abtrennbar, die das Tageslicht durchscheinen lassen.

Äussere Erscheinung

Die Wahl des Konstruktionssystems hat seine Auswirkung auf die äussere Erscheinung des Gebäudes: Das durchgehende Raster und die Wahl eines Fenstertyps, der für die Balkone und die Loggien leicht variiert wird, erzeugen eine rigide, serielle Erscheinung. Weiter prägen die grünen Betonscheiben der Balkone die Fassade. Diese geben die vertikalen Lasten der Balkone auf die Betonaussenwand im EG ab, da bei der Verwendung von Holzbalkendecken eine Kragplatte schwer möglich ist. Dieselben Elemente werden auch für die Gewände der Fenster verwendet, welche die Fenster von den Fassadenputzflächen trennen. Die Einschnitte im Dachgeschoss und die wenigen Dachaufbauten werden mit einem Materialwechsel betont und sind in gleissend weissen Platten gehalten, sodass sie zusammen mit den glasverkleideten Liftüberfahrten möglichst leicht und schlank wirken.

Konzept betreffend Lärmschutz

Am Stauffacherquai werden die Lärmimmissionswerte um maximal 6dB überschritten. Drei Massnahmen lösen das Lärmproblem: Erstens kann mit einer Loggia eine rechnerische Pegelminderung von 3-6dB erreicht und Wohnräume belüftet werden. Zweitens sind die Wohnungen von der Strasse zum Innenhof durchgehend. So können überbelastete Wohnräume über die Küche ausreichend belüftet werden. Drittens dürfen 1/3 der Zimmer ausnahmsweise die Kennwerte überschreiten. Das trifft im Projekt für ein Zimmer zu.

Bau- und planungsrechtliche Rahmenbedingungen

Die Gebäudehöhen sind mit den Verkehrsbaulinien gegeben und eingehalten. Die Gebäudehöhe des Gebäudeteiles am Stauffacherquai von 18 m gilt bis auf eine Tiefe von 15m mit virtueller Giebelseite seitlich an der Weber- und Schöntalstrasse. Es werden 5 Vollgeschosse gebaut und im Gebäudeteil am Stauffacherquai ein Dachgeschoss mit Flachdach. Für die Berechnung der Dachaufbauten des Dachgeschosses wurde rückseitig die virtuelle Gebäudetiefe von 15 m angenommen, damit dort sinnvolle Wohnungen entstehen. 

Das Hofgebäude nutzt die mögliche Fläche von einem Drittel der von den Randgebäuden nicht beanspruchten Parzellenfläche nicht aus. Die nicht konsumierte Fläche wird für die Vertiefungen zur Belichtung der Atelierräume des anrechenbaren UG’s, die wir als Bauwerk betrachten, gebraucht. Darum hat der Innenhof genügend Luft und Freifläche, um als Treffpunkt fungieren zu können und den Wohnungen einen spannenden Anblick zu bieten.